Vereinsnews
Aktuelle Mitteilungen des Vereins Schwäbisch Haller Sackpeifertage e.V.
Wir trauern um Hermann Rieth
Hermann Rieth, der Mitbegründer der Schwäbisch Haller Sackpfeifertage, ist am 26. September 2021 im Alter von 68 Jahren seiner langjährigen Krebserkrankung erlegen.
Hermann stammte aus Wuppertal und hatte zunächst Mathe und Physik für das Lehramt studiert. Schon während dieser Zeit ist er mit der Waldorf-Pädagogik in Kontakt gekommen. Anstatt in den staatlichen Schuldienst einzutreten, hat er eine Lehre zum Handweber abgeschlossen und danach über 30 Jahre als Werklehrer in der Waldorfschule Schwäbisch Hall gearbeitet.
Hermann war Pädagoge mit Leib und Seele. Sein Antrieb war die Neugier auf kleine und große Menschen. Im Werkunterricht war sein Ansatz, die Dinge von ihrer Materialität und ihre Konstruktion her zu verstehen und buchstäblich zu „begreifen“. Im Laufe seines Lebens hat er sich so mehr als ein halbes Dutzend Handwerksberufe angeeignet und mit seinen Schülern geteilt. Dabei war er nie mit Heimwerker-Kenntnissen zufrieden, sondern hat stets nach Meisterschaft gestrebt. Das beste Zeugnis dieses hohen Qualitätsanspruchs sind die acht Fachwerkhäuschen auf seiner historischen Hofstelle in Klein-Sülz. Zusammen mit Bautrupps aus Kindern und einigen erwachsenen Helfern hat er diese voll funktionsfähigen Häuser im Maßstab 1:5 vom Fundament an aufgeführt: eine Schmiede, ein Schleifkotten, eine Backstube, eine Salzsiederei usw. Fast alle Gewerke sind unter seiner Anleitung von den Kindern selbst ausgeführt worden: die Zimmermannsarbeiten, das Brennen von Ziegelsteinen und Aufmauern von Wänden, Schmieden, Töpfern, Keramikarbeiten. An viele Schülergenerationen hat er seine Begeisterung für das handwerkliche Entstehen der Dinge des Alltags weitergegeben. Er war zutiefst davon überzeugt, dass die praktische Auseinandersetzung mit Material, Form und Handwerkstechnik von elementarer Bedeutung für die Entwicklung einer respektvollen Beziehung von Kindern zu ihrer Umwelt ist.
Von Kindheit an mit Musik aufgewachsen, hat Hermann sein Liebe zum Dudelsack in Schottland entdeckt, das er in der Studienzeit mit dem Motorrad erkundet hatte. Dem sind viele weitere Reisen auf seine geliebten „fairest isles“ gefolgt. Wie bei allen anderen Dingen, musste Hermann auch dem Dudelsackspiel auf den Grund gehen und hat es in Kursen und im Selbststudium von der Pike auf erlernt. Da auch Musik in der Gemeinschaft noch schöner ist, hatte er bald ein paar Freunde mit seiner Begeisterung angesteckt und für sie die ersten Sackpfeifertage organisiert. Was zunächst an einem Wirtshaustisch begann, hat sich zu einem beliebten, alljährlichen Kurs für Folk- und Alte Musik entwickelt. Mit den historischen Räumen der Comburg hat Hermann dann auch die perfekte Kulisse für „seine“ Musik gefunden. Im Laufe der mehr als 25 Jahre haben viele international bekannte Musikerinnen und Musiker als Kursleiter der Sackpfeifertage ihre Kenntnisse weiter gegeben: von der Musik Hildegards von Bingen über die kunstvollen Sätze der Renaissance bis hin zu französischen Schäferpfeifen, „Morris dances“ und BalFolk reicht die Spannbreite der musikalischen Spielarten: für Sänger, für Tänzerinnen und für Instrumentalisten.
Hermann Rieth war ein Mensch von enormer Spannbreite der Interessen und voller Neugier auf Unbekanntes. Von humanistischen Grundsätzen geprägt, war er überzeugt, dass Lernen und Erziehung am besten in der Auseinandersetzung mit praktischen Problemen zu vermitteln sind, im Handwerk ebenso wie in der Musik. Nicht nur „seinen Kindern“, sondern auch den Teilnehmerinnen der Sackpfeifertage hat er so neue Erfahrungen vermittelt, die viele nachhaltig geprägt haben. In seinen Worten: „Die Frucht des eigenen Tuns zu sehen, verschafft einem tiefe Befriedigung.“
Wir trauern mit seiner Ehefrau Elke und seinen Geschwistern. Wir verdanken Hermann die wunderbaren Sackpfeifertage und können sein Andenken wach halten, indem wir weiter gemeinsam Musizieren.
Nachruf Hermann Rieth aus dem Haller Tagblatt vom 02.10.2021
Mit freundlicher Genehmigung durch den Verlag